|
Reform des EhegattenunterhaltsIm Januar 2017 hat der Familienrechtsausschuss des Deutsche Anwaltvereins (DAV) Reformvorschläge für den nachehelichen Ehegattenunterhalt formuliert. Der Geschiedenenunterhalt soll vom Gesetzgeber einfacher strukturiert und planbarer gemacht werden. Zunächst ein Überblick über die Thematik:
Während der Ehegatten-Trennungsunterhalt "nur" für die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung zu zahlen ist, stellt sich beim Geschiedenenunterhalt regelmäßig die Frage, ob und gegebenenfalls wie lange dieser noch in welcher Höhe nach Scheidung zu zahlen ist. Dem Geschiedenenunterhalt kommt deshalb eine ganz erhebliche Bedeutung zu, weil er regelmäßig für den finanziell schwächeren Ehepartner für die Dauer der Weiterzahlung die Aufrechterhaltung des bisherigen ehelichen Lebensstandards gewährleistet. Nach Wegfall der Zahlungen müssen häufig erhebliche Einbußen hingenommen werden. Auf der anderen Seite bedeutet die Zahlung nachehelichen Unterhalts für den Zahlungspflichtigen eine erhebliche Einschränkung, da ein Teil seines Einkommens für die "alte Ehe" gebunden bleibt und nicht für ihn selbst oder gegebenenfalls eine neue Beziehung zur Verfügung steht. Nicht zuletzt deshalb gehören Fragen zur Zahlung nachehelichen Unterhalts zu den strittigsten und schwierigsten des Unterhaltsrechts. Es liegt auf der Hand, dass die Frage nach Höhe und Dauer der Zahlung nachehelichen Unterhalts eng mit dem Verständnis der Ehe als solcher verbunden ist. Ebenso wie sich die sozialen Verhältnisse fortlaufend ändern, hat sich auch das Verständnis der Ehe verändert und damit auch die gesetzgeberischen Kriterien, nach denen über die Zahlung von Geschiedenenunterhalt entschieden wird. So hat der Gesetzgeber mit dem 1. EheRG dem unterhaltsberechtigten Ehegatten eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Lebensstandardgarantie eingeräumt. Allein die am Ende der Ehe erreichten ehelichen Lebensverhältnisse waren maßgebend für die Zahlung von Geschiedenenunterhalt. Der Unterhaltsberechtigte erhielt eine fast alle Bedürfnislagen abdeckende, grundsätzlich lebenslange Unterhaltsberechtigung. Die Ehe diente also auch nach ihrem Scheitern als lebenslange finanzielle Absicherung. Seitdem haben sich Vorstellungen gewandelt und einer modernen Auffassung Platz gemacht, zunächst mit dem UÄndG 1986 und sodann entscheidend mit dem UÄndG 2008, der letzten großen Unterhaltsreform. Mit dem Unterhaltsänderungsgesetz 2008 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, alle nachehelichen Unterhaltsansprüche zeitlich zu befristen und in der Höhe zu begrenzen, sofern keine weiter fortbestehenden ehebedingten Nachteile vorliegen oder Gründe nachehelicher Solidarität entgegenstehen. Wesentlich für die Weiterzahlung von Ehegattenunterhalt auch nach Scheidung der Ehe wird seitdem also darauf abgestellt, ob ein Ehegatte während der Ehe berufliche Nachteile erlitten und für die eheliche Gemeinschaft hingenommen hat, sofern diese noch fortbestehen. Darüber hinaus ist der Grundsatz der Eigenverantwortung eingeführt worden, nach dem es grundsätzlich jedem Ehegatten nach der Scheidung obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn ihm dies nicht möglich ist, soll er im Sinne eines Regel-Ausnahme-Prinzips gegen den anderen Ehegatten ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt haben. Und schließlich ist mit der letzten Änderung des § 1578 b BGB neben dem ehebedingten Nachteil noch die Dauer der Ehe als weiteres Kriterium für die Zahlung nachehelichen Unterhalts aufgenommen worden. Zusammengefasst soll Geschiedenenunterhalt also nun nicht mehr als "Lebensversicherung" gezahlt und als Lebensstandardgarantie aufgefasst werden, sondern als Ausgleich für durch die Ehe bedingte berufliche Nachteile und als vorübergehende zeitliche Hilfestellung für den Weg in die wirtschaftliche Selbstständigkeit. Doch sind diese Ziele auch vom Gesetzgeber mit den bestehenden Gesetzen tatsächlich umgesetzt worden? Genügen die bestehende Gesetze einem modernen und gerechten Unterhaltsrecht? Das kann durchaus in Zweifel gezogen werden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat diese Fragen durch seinen Familienrechtsausschuss im Januar 2017 erneut aufgeworfen und Reformvorschläge für den nachehelichen Ehegattenunterhalt mit dem Ziel formuliert, den Geschiedenenunterhalt einfacher zu strukturieren und für die Rechtsanwender (Rechtsanwälte und Gerichte) und Betroffenen (Eheleute) planbarer zu machen. Kritisiert wird vom Familienrechtsausschuss vor allem, dass das deutsche Unterhaltsrecht an Schwächen und Widersprüchen leidet, nach wie vor von Billigkeitsgesichtspunkten und Zumutbarkeitskriterien geprägt ist und den Gerichten damit erheblicher Spielraum in der Entscheidungsfindung eingeräumt werde. Zudem sei das Unterhaltsrecht weiterhin unübersichtlich wie kaum ein anderes Rechtsgebiet. Diese Schwächen des Unterhaltsrechts sollen durch eine erneute Reform beseitigt werden. Im Grundsatz werden 5 Themenbereiche genannt, die die mit der Reform aufgegriffen werden sollen: 1. Grundsatz der Eigenverantwortung Die Eigenverantwortung sei zwar vom Gesetzgeber als Grundsatz eingeführt worden, werde faktisch aber in der Praxis durch ein nahezu lückenloses Netz von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen und der Rechtsprechung wieder aufgehoben. 2. Betreuungsunterhalt Der Anspruch der Mutter auf Unterhalt wegen der Betreuung eines minderjährigen Kindes sei in zwei gesetzliche Vorschriften aufgespalten, die danach unterscheiden, ob die Eltern des Kindes verheiratet sind (§ 1570 BGB) oder nicht (§1615l BGB), obwohl dies für Fragen des Betreuungsunterhalts für das zu betreuende Kind nicht relevant sei. 3. Lebensstandardgarantie Durch die Unterhaltsänderungsgesetze aus den Jahren 1986 und 2008 sei die Lebensstandardgarantie des nachehelichen Unterhalts zwar erheblich eingeschränkt worden, herrsche allerdings in verschiedenen Vorschriften des Unterhaltsrechts und auch in höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Teil noch vor. Als Leitbild eines modernen Unterhaltsrechts sollte sie nicht mehr dienen. 4. Billigkeitsgesichtspunkte Die aktuellen gesetzlichen Regelungen seien zu sehr mit Billigkeitsvorschriften überfrachtet. Im Interesse einer zuverlässigen Planbarkeit sollte hierauf so weit wie möglich verzichtet werden. 5. Kompliziertheit Sowohl für den Rechtsanwender als auch für die Betroffenen sei das aktuelle Unterhaltsrecht zu komplex und damit für die Praxis nur schwer vermittelbar. Es sollte vereinheitlicht und vereinfacht werden. Nach Ansicht des Familienrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins gehört zu den Grundsätzen eines modernen Unterhaltsrechts
Anknüpfend an diese Überlegungen verfolgt der Vorschlag des DAV insbesondere die Ziele,
Um dies zu erreichen wird vorgeschlagen, die derzeitigen 7 Unterhaltstatbestände abschließend auf 3 Unterhaltstatbestände zu reduzieren: 1. Betreuungsunterhalt In den ersten 3 Jahren nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes soll der das Kind betreuende Elternteil keiner Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Geht er dennoch arbeiten, sollen seine Einkünfte nicht auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden. Ab Vollendung des 3. Lebensjahre kann grundsätzlich Unterhalt für die Betreuung eines gemeinsamen Kindes verlangt werden, wenn keine Betreuung durch dritte Personen möglich ist. In der Regel soll Betreuungsbedarf bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des gemeinsamen Kindes bestehen. Grundlage für die Höhe des Betreuungsunterhalts sollen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Eltern sein. Um den Betreuungsunterhalts zu schützen, soll für die Zukunft auf den Betreuungsunterhalt nicht verzichtet werden dürfen. 2. Kompensationsunterhalt Mit diesem Anspruch sollen ehebedingte berufliche Nachteile ausgeglichen werden, die während der Ehe aufgrund der ehelichen Rollenverteilung entstanden sind und nach Scheidung noch fortbestehen. Demgemäß soll ein Ehegatte von dem anderen nach der Scheidung oder im Anschluss an einen Betreuungszeitraum für die gemeinsamen Kinder Unterhalt verlangen können, solange und soweit er aufgrund einer tatsächlich gelebten Aufgabenverteilung während der Ehe finanziellen Nachteile erlitten hat, die noch fortbestehen. Die Höhe des zu zahlenden Unterhalt soll sich dabei nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen richten, sondern sich am angemessen Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten orientieren. Grundlage soll also das hypothetischen Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten sein, dass dieser nach Beendigung der Ehe erzielen würde, wenn gar keine Ehe bestanden hätte (die Ehe und deren Rollenverteilung weggedacht würden). 3. Übergangsunterhalt Grundlage dieses Anspruchs ist die nacheheliche Solidarität. Steht einem geschiedenen Ehegatten aus anderen Gründen kein Unterhaltsanspruch zu, soll er für eine Übergangszeit nach der Ehe einen Übergangsunterhalt erhalten, und zwar grundsätzlich für einen Zeitraum von 2 Jahren ab Rechtskraft der Scheidung. Nur in Fällen grober Unbilligkeit soll der Zeitraum angemessen verlängert werden können. Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts soll sich bei diesem Anspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen richten, also nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen zum Zeitpunkt der Scheidung. Voraussetzung für den Übergangsunterhalt soll sein, dass die Ehe bis zur Rechtshängigkeit Scheidungsantrags mindestens drei Jahre bestanden hat. Weitere Einzelheiten und Informationen zur Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch den Ausschuss Familienrecht zur Reform des nachehelichen Ehegatten Unterhaltsrechts finden Sie in der Pressemitteilung des Deutschen Anwaltsvereins vom 31. Januar 2017: https://anwaltverein.de/de/newsroom/pm-2-17-das-unterhaltsrecht-muss-uebersichtlicher-werden sowie in den Stellungnahmen zur Reform vom 25. Januar 2017 als PDF zum Download: https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-4-17-reform-unterhaltsrecht |
Dr. Berghof| Hinüberstraße 4 |30175 Hannover| E-Mail: dr.berghof@web.de