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Ausbildungsunterhalt beim volljährigen Kind

In einer aktuellen nunmehr veröffentlichten Entscheidung aus März 2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH 08.03.2017 zum Aktenzeichen VII ZB 192/16) aufgezeigt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein volljähriges Kind in den Fällen einer mehrstufigen Berufsausbildung (Lehre, Abitur, Realschule, Fachoberschule, Studium) Unterhalt von seinen Eltern verlangen kann

Zunächst zum Verständnis grundlegend zum Volljährigenunterhalt:

Grundsätzlich endet die Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt - bzw. aus Sicht des Kindes der Anspruch gegen die Eltern auf Zahlung von Kindesunterhalt - nicht mit Erreichen der Volljährigkeit, sondern wird Kindesunterhalt bis zum Abschluss einer ersten Berufsausbildung geschuldet.

Abgesehen davon ändert sich mit Volljährigkeit für das Eltern-Kind-Verhältnis unterhaltsrechtlich einiges:

Zunächst ist das volljährige Kind grundsätzlich selbstverantwortlich für die Geltendmachung des eigenen Unterhalts, weil die gesetzliche Vertretungsmacht des betreuenden Elternteiles mit Volljährigkeit endet.

Der zweite wesentliche Unterschied bei Erreichen der Volljährigkeit besteht darin, dass nunmehr beide Eltern barunterhaltspflichtig, also zahlungspflichtig sind und sich der betreuende Elternteil nicht darauf berufen kann, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind allein durch Versorgung und Betreuung des Kindes nachzukommen auch wenn das Kind weiterhin bei ihm lebt.

Ferner wird das staatliche Kindergeld nun stets vollständig auf den Kindesunterhalt angerechnet und nicht mehr nur zur Hälfte; nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle sind dies für das 1. und 2. Kind 192,00 ¤ monatlich, für das 3. Kind 198,00 ¤ und ab dem 4. Kind 223,00 ¤. Für ein volljähriges Kind mit eigener Wohnung, das studiert bedeutet dies einen monatlichen Unterhaltsanspruch/Zahlbetrag von 543,00 ¤ (Bedarf nach Ziffer 7 der Düsseldorfer Tabelle: 735,00 ¤ abzüglich volles Kindergeld von 192,00 ¤).

Und schließlich muss ein volljähriges Kind grundsätzlich zunächst seinen eigenen Vermögensstamm angreifen und aufbrauchen, bevor es von den Eltern Kindesunterhalt verlangen kann. Solange also ein volljähriges Kind ausreichend eigenes Vermögen hat, muss grundsätzlich kein Kindesunterhalt gezahlt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Kind ein gewisser "Notgroschen" für plötzlich auftretenden Sonderbedarf gelassen werden muss, und zwar in der Regel in der Größenordnung von 5.000,00 ¤. Eine wesentliche Ausnahme hierzu besteht bei volljährigen unverheirateten Kindern bis zu deren 21. Lebensjahr, solange sich das Kind noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet und bei einem Elternteil lebt. Hier muss das eigene Vermögen des Kindes nicht angegriffen werden.

Doch wie lange muss eigentlich einem volljährigen Kind Unterhalt gezahlt werden bzw. wie lange kann ein volljähriges Kind Unterhalt von seinen Eltern beanspruchen, m.a.W.: Wann ist "Schluss mit lustig"?

Die grundlegende Regelung hierzu findet sich in § 1610 Absatz 2 BGB wo es heißt:

"Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, ..."

Geschuldet wird für den Eltern danach eine erste Berufsausbildung, die "angemessen" ist.

Was angemessen ist, hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung festgelegt, nämlich eine Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am Besten entspricht, ohne dass sämtliche, möglicherweise nur vorübergehende Neigungen und Wünsche berücksichtigt werden müssen (BGH FamRZ 1989, 853). Ob ein Kind eine solche "begabungsbezogene" Ausbildung anstrebt, ist letztendlich eine Frage des Einzelfalles.

Maßgebend für den Ausbildungsunterhalt ist vor allem, dass mit dem Anspruch des Kindes auf Finanzierung einer angemessenen Berufsausbildung die Obliegenheit des Kindes einhergeht, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen und auch binnen angemessener und üblicher Zeit zu beenden (BGH FamRZ 2013, 1375; BGH FamRZ 1989, 853).

Welche Anforderungen hierbei bei der einer mehrstufigen Berufsausbildung zu stellen sind hat der BGH in seiner Entscheidung vom 8. März 2017 nochmals klargestellt:

Die Fälle von Abitur-Lehre-Studium werden grundsätzlich als ein einheitlicher Ausbildungsgang angesehen und sind daher von den Eltern zu zahlen, sofern die einzelnen Ausbildungsabschnitte im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die Ausbildung und Studium sich sinnvoll ergänzen. Die beiden Lern- Gebiete müssen dabei derart aufeinander bezogen sein, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet bzw. eine praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstellt. Ein sachlicher Zusammenhang wurde beispielsweise bejaht in den Fällen Bauzeichner/Architekturstudium, Banklehre/BWL oder Jurastudium oder Lehramtsstudium, GrafikDesign/Pädagogikstudium. Dabei reicht, dass der Wille an die Lehre ein Studium anzuschließen erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird. Der Abiturient muss sich also bei Aufnahme der praktischen Ausbildung noch nicht über ein anschließendes Studium im klaren sein. Verneint wurde in den Fällen Abitur-Lehre-Studium die Einheitlichkeit des Ausbildungsganges in den Fällen Industriekaufmann/Medizinstudium, Einzelhandelskaufmann/Wirtschaftsingenieur Elektrotechnik, Banklehre/Sport- Kunststudium.

Die Fälle Realschulabschluss-Lehre-Abitur-Fachoberschule werden dagegen nur dann als einheitliche Ausbildung angesehen, wenn bereits bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar das spätere Studium angestrebt worden ist. Dabei ist es ausreichend, wenn diese Absicht gegenüber einem Dritten geäußert worden ist (OLG Celle FamRZ 07,929) oder besondere Anhaltspunkte für eine Begabung ersichtlich geworden sind (BGH FamRZ 06, 1100).

Auch der Ausbildungsweg mittlere Reife-Lehre-(Fach-) Abitur-Studium wird nur dann als einheitlich angesehen, wenn bereits bei Beginn der Ausbildung das Kind erkennbar eine Weiterbildung einschließlich Studium angestrebt hat, weil nur in diesem Fall die Eltern damit rechnen müssen, dass das Kind später das Abitur nachholt und studiert. Auch in diesen Fällen ist zwar kein sachlicher Zusammenhang, aber jedenfalls eine frühzeitige Mitteilung oder ein sonstiger Hinweis auf die besondere Begabung erforderlich (OLG München NJW 12,3519).

Beruht ein Ausbildungswechsel auf sachlichen Gründen, so führt dieser grundsätzlich nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs, sofern den Eltern die Verlängerung der Ausbildungszeit wirtschaftlich zumutbar ist (BGH FamRZ 01,757).

Ein Studienwechsel ist in der Regel vom Unterhaltsverpflichteten nur bis zum Abschluss des 2. Semesters mit anschließender Aufnahme eines neuen Studiums hinzunehmen (OLG Celle FamRZ 02,1645). Spätestens nach Aufnahme 3 verschiedener Studiengänge innerhalb von 3 Jahren oder Abbruch von 2 Ausbildungen ohne unzureichenden Grund besteht grundsätzlich kein Ausbildungsunterhaltsanspruch mehr, es sei denn die Aufgabe des Studiums oder der Ausbildung erfolgt aus gesundheitlichen oder sonstigen sachlichen Gründen (BGH FamRZ 06,1100).

Eine Zweitausbildung müssen die Eltern nur ausnahmsweise finanzieren, wenn sie das Kind in einem Beruf gedrängt haben, der seinen Begabung nicht entspricht oder dem Kind eine ausgemessen Ausbildung verweigert haben und das Kind sich deshalb für einen Beruf entschieden hat, der seinen Begabungen und Neigungen nicht entspricht.

Interessant ist schließlich auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 6. Oktober 2011 zum Aktenzeichen 10 WF 300/11, wonach einem volljährigen Kind auch für ein freiwilliges soziales Jahr Unterhalt zustehen kann, selbst wenn der Dienst nicht für eine spätere Ausbildung benötigt wird.

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